Horizont: Onlineallianz gegen Terrorcontent
Andreas Frauenberger im Horizont als Medienrechtsexperte im Interview:
Facebook, Twitter, Google und Microsoft verbünden sich mit einer Datenbank gegen Terrorinhalte. Den User entbindet das nicht von seiner Verantwortung.
Eine gemeinsame Datenbank, um bereits gelöschte terroristische Inhalte wie Rekrutierungsvideos und Bilder zu identifizieren und von den Plattformen zu verbannen, ist das Ziel einer angekündigten Onlineallianz von Facebook, Twitter, Google (mit YouTube) und Microsoft. Rechtliche, moralische und ethische Bedenken bei Löschungen inklusive.
Medienrechtsexperte Andreas Frauenberger sieht darin zumindest einen richtigen Ansatz: „Die Datenbank kann ein Startschuss für eine vernünftige Lösung sein, natürlich im Detail mit höchst komplexen Wertungsfragen.“ Diese offenbaren sich, wenn man die veröffentlichten Details der Datenbank heranzieht.
Hierfür werden die terroristischen Inhalte von den Diensten der vier Beteiligten mit einem einzigartigen digitalen Fingerabdruck, auch Hashes genannt, versehen und so gekennzeichnet. Diese Fingerabdrücke können die Unternehmen künftig in einer gemeinsamen Datenbank austauschen. Dadurch müssten die Inhalte nicht mehr bei jedem Dienst aufs Neue gefunden werden, um gelöscht zu werden.
Zukünftig soll es so möglich sein, Inhalte bereits während des Hochladens zu erkennen. Daten, die den Nutzer persönlich identifizierbar machen, sollen untereinander laut Facebook nicht geteilt werden. Dies ist laut Frauenberger rechtlich auch vollkommen legitim, jedoch muss in Zukunft kritisch hinterfragt werden, wie diese Prozesse vonstattengehen – und ob das Thema Datenschutz auch in der Praxis Beachtung findet.
Keine Bewertungsgrundlage
Zudem sollen Beiträge nicht automatisch gelöscht werden, jede der Plattformen entscheidet selbst, wie sie mit den Inhalten umgeht. Dies ist auch jetzt schon der Fall – die Problematik einer allgemeinen Bewertungsgrundlage für Inhalte auf den verschiedenen Social Networks ist wohl die schwierigste Aufgabe, die die Unternehmen künftig in Angriff nehmen müssen.
„Die größte Herausforderung wird die Transparenz sein und die Frage, nach welchen Prinzipien die Unternehmen Inhalte plattformübergreifend bewerten“, erklärt Doris Christina Steiner, Senior Consultant bei Ketchum Publico und PR-Ethik-Rat. Insbesondere Facebook agiert diesbezüglich teils sehr intransparent und musste in der Vergangenheit auch immer häufiger Kritik wegen seines Umgangs mit gemeldeten Postings einstecken. Und hier beginnt auch die rechtliche Grauzone.
Der Nutzer ist beispielsweise bei Facebook nach österreichischem Recht für sich selbst, sein Profil und seine Beiträge verantwortlich und hat die alleinige Gestaltungsgewalt. Verselbständigt sich nun ein Post und wird geliked und geteilt, gelangt man in die besagte Grauzone und stößt auf die Frage, die auch in der Vergangenheit immer wieder heftig diskutiert wurde: Ob Facebook und Co nun als Medien zu definieren sind oder nicht.
Diese Frage ist nicht klar zu beantworten, wie Frauenberger anführt: „Ob beispielsweise Facebook ein Medium ist kann man nicht generell mit ja oder nein beantworten. Nach geltender Rechtslage greift das Mediengesetz, sobald individuelle Kommunikation in Massenkommunikation umschlägt.“ Und genau das ist das rechtliche Dilemma.
„Juristisch lösbar“
Für Frauenberger ist diese Thematik hinsichtlich Hasspostings und Terror- oder Propagandainhalten juristisch „durchaus lösbar“, aber die Lösung praktisch meist unbefriedigend, weil man oft eine Vielzahl an Usern belangen müsste oder es mit falschen Identitäten zu tun hat, „daher wäre es sinnvoll, Facebook in die Pflicht zu nehmen und einen globalen Rechtsstandard zu definieren“.
Bis jetzt nimmt sich Facebook jedoch aus der rechtlichen und ethischen Verantwortung. Wünschenswert wäre zur Lösung der Problematik ein „rechtliches Reglement seitens des Rechtsstaates“, was global nur schwer umsetzbar erscheint. Für Frauenberger muss ein Reglement am Ende des Tages zunächst wohl von den Betreibern der Plattformen kommen.
Aus einer ethischen Perspektive muss für Steiner diesbezüglich von einem globalen Unternehmen auch etwas mehr zu erwarten sein. Denn: „Je größer ein Unternehmen ist, desto größer ist auch die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.“ Auf der anderen Seite sind die sozialen Netzwerke immer mehr zu einem kommerziellen und politischen Instrument geworden und haben indes mit immer mehr Verantwortung zu kämpfen, die sie nicht wollen.
Player unter Zugzwang
Die großen Plattformen stehen bezüglich ihrer Communityrichtlinien, Fake-News, Transparenz und deren gesellschaftlicher Verantwortung zunehmend in der öffentlichen Kritik. „Die großen digitalen Player merken, dass sie unter Zugzwang sind,“ so Steiner und verweist auf eine Art von Augenauswischerei hinsichtlich der Einführung einer Datenbank, da die Bewertung von Inhalten genauso intransparent bleibt wie bisher und das Projekt in Detailfragen hoch komplex ist. Schnelle und einfache Lösungen sind nicht zu erwarten – die Verantwortung bleibt wohl auf Seiten der User.
Userverantwortung steigt
Für die Nutzer der Plattformen scheint eine solche Datenbank auf den ersten Blick nicht wirklich relevant, jedoch ändert sich laut Frauenberger die Verantwortungsfrage stark „und im Allgemeinen der Umgang mit den sozialen Netzwerken“. Durch die andauernde öffentliche Diskussion wird ebenso das Bewusstsein für diese Thematiken sowie für das Thema Datenschutz gestärkt. Ob und wie diese vier Unternehmen einen gemeinsamen rechtlichen und ethischen Konsens finden, bleibt abzuwarten.